Peter Reichelt

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Peter Reichelts "Helnwein und Scientology"
von Tilman Hausherr

1. Helnwein und Scientology
2. Interview mit Peter Reichelt

Peter Reichelts "Helnwein und Scientology"
Seit Jahren streitet der in Deutschland lebende, österreichische Maler Gottfried Helnwein ab, Scientologe zu sein. Sein ehemaliger Berater Peter Reichelt listet jetzt in einem 500seitigen Buch Dokumente auf, die den Künstler als hochrangigen Scientologen entlarven.
Peter Reichelt: Helnwein und Scientology - Lüge und Verrat. Eine Organisation und ihr Geheimdienst Verlag Brockmann und Reichelt ISBN 3-923801-93-9 Schon der Schutzumschlag macht Freude: es ist eine bissige Scientologybezogene Variation des berühmten "Gabel"-Bildes von Gerhard Haderer.
Ich selbst habe mindestens zehn Scientology-bezogene Bücher gelesen; neue Bücher bringen somit kaum Neues und sind schnell überflogen. Dieses Buch ist jedoch anders, weil es Scientology anhand eines Scientologen und seines Dunstkreises darstellt: des Malers Gottfried Helnwein.
Auf fast 500 Seiten wird die Geschichte eines Mannes erzählt der jahrelang so sehr log, daß sich eigentlich sämtliche Balken in den Gerichtsgebäuden hätten biegen müssen. Doch er kam damit durch, und warb sogar Unterstützer aus Presse, Fernsehen und Politik, die halfen, ihn als den armen Verfolgten der fanatischen Sektenjäger darzustellen. Egal welche Beweise die Kritiker brachten - er stritt es einfach ab.
Dokumente wurden als Fälschungen dargestellt, Namenseinträge in Scientology-Listen wurden abgestritten. Für Helnwein war bei Bedarf zwei plus zwei eben fünf oder drei. Dies ging eine Zeitlang gut, weil nicht jeder Kritiker den Überblick hatte; doch dann brach alles zusammen als er einen Prozeß gegen zwei Kritikerinnen verlor. Trotzdem stritt er weiter alles ab und seine willigen Helfer halfen ihm dabei. Im Internet waren bereits eine ganze Reihe Hinweise aufgetaucht; doch nun ist eine erdrückende Menge an Beweisen in einem einzigen Buch zu finden. Diese Beweise sind nicht nur Veröffentlichungen von Scientology selbst, sondern viele Briefe in Helnwein's eigener Handschrift. Dies müßte für ziemliche Verwirrung bei den Scientologen sorgen. Gerüchteweise ist ScientologySprecherin Sabine Weber bereits völlig verzweifelt, fürchtet um ihre eigene Zukunft.
Im Gegensatz zu Autoren, die aus vorauseilendem Gehorsam nicht mal Namen nennen, die jeder aus der "Szene" kennt, nennt Reichelt Roß und Reiter und druckt die Beweise schwarz auf weiß, und wenn es sein muß, wird sogar Helnweins Unterschrift auf einem Gemälde stark vergrößert, wodurch das verräterische "OT" Zeichen erscheint, das "T" in dem "O". Das Buch belegt, wie Helnwein seit einem viertel Jahrhundert Scientologe ist, und daß er die Stufen OT5 und CL4 erreicht hat. Er trat 1972 ein; von 1974 bis 1977 leitete er das Zentrum für Kunst und Kommunikation, eine Art "Celebrity Center" in Wien. Dann hielt er sich mehr im Hintergrund; 1985 entstand bei ihm in Burgbrohl eine Art "geheimes" Celebrity Center. Sogar Hubbards Sohn Arthur war fast ein Jahr zu Gast.
In den 90ern wollte er davon nichts mehr wissen: er sei kein Scientologe, war nie einer gewesen, hätte nur mal "ein paar Kurse" gemacht; wer etwas anderes druckte, bekam einen Prozeß an den Hals. Das von ihm und seiner Frau Renate "gespendete" Geld für "nur ein paar Kurse" wird jedoch auf DM 1 600 000 geschätzt.
Die Beklagten konnten ja nicht wissen, daß Helnwein einen Scientology-Funktionär mit "Dear Terminal" anschrieb, oder ein anderes Mal klarstellte: "Da unser Fax möglicherweise abgehört wird, will ich in Zukunft jede Comm nur noch über den OSA-Computer" (OSA ist der scientologische Geheimdienst "Office for Special Affairs"). Es bleibt zu hoffen, daß Staatsanwälte dieses Buch kaufen, es lesen und dann Helnwein und seine Helfer wegen fortgesetzten Prozeßbetruges vor Gericht stellen.
Das Buch entstand teilweise in Zusammenarbeit mit dem Ex-Scientologen Martin Ottmann, der half Dokumente und Organisationsstrukturen auszuwerten. (Martin trat in einer WDR-Sendung auf und schreibt gelegentlich in der Internet-Newsgroup alt.religion.scientology). Peter Reichelt selbst gehört nicht zur "Kritiker-Szene", sondern war von 1987 bis 1993 Helnweins Berater und Kunst-Agent. Auch dies macht das Buch zu etwas Besonderem.
Neben Dokumenten von Helnwein, aus Fernsehen, Gerichten und aus dem Internet finden sich auch Fakten, die bisher nicht bekannt sind: eine Razzia in Österreich, Hubbards Zusammenarbeit mit Leni Riefenstahl, Spekulationen über die Ursache von Helnweins Haarausfall, ein hohes &Scientology-Guthaben von Bernhard "Roncalli" Paul, ein Herr vom Bundespostministerium, ein trauriger Brief von Carl Barks, und ein STASI-artiger Bericht von Helnwein über die Freundin eines Künstler-Kollegen. Es bleibt zu hoffen, daß in einer der nächsten Auflagen auch ein Index dazu kommt.

Tilman Hausherr, Scientology-Spezialist, betreibt eine weltweit bekannte Internet-Seite zu Scientology, Computertheorie und -praxis und ist u.a. Gründer und Leiter des Mozillamuseums.

Der "OT5" Helnwein gibt 1989 der Scientology-Organisation ein langes Interview (aus: "Celebrity" 225, 1989 CSCCI)

Interview mit Peter Reichelt
von Hugo Stamm:
Stamm:Sie waren jahrelang ein Freund von Gottfried Helnwein, nun demontieren sie ihn auf fast 500 Seiten. Weshalb dieser Dolchstoß?

Reichelt: Ich wußte lange Zeit nicht, daß er aktiver Scientologe ist. Als ich sah, daß Gruppen von Scientologen auf seiner Burg Burgbrohl bei Köln Kurse machten, schöpfte ich Verdacht. Da ich Anfang der 90er Jahre wenig über Scientology wußte, machte ich mir kaum Gedanken darüber. Erst als Scientology ein öffentliches Thema wurde und Helnwein Leute einklagte, die ihn als Scientologen bezeichneten, wurde ich hellhörig. Zu jener Zeit hat er sich auch verändert, total abgeschottet und kaum mehr Kunst gemacht. Deshalb habe ich mich von ihm getrennt. Ich dachte aber nicht daran, ein Buch zu schreiben.

Stamm: Weshalb haben Sie es nun doch getan?

Reichelt: Ich habe die verbissene Verteidigung von Helnwein mit wachsendem Erstaunen verfolgt. Als dann prominente Freunde wie die grüne Bundestagsabgeordnete Antje Vollmer, der Talkmaster Alfred Biolek und der bekannte Redaktor Herbert Riehl-Heyse von der "Süddeutschen Zeitung" den Künstler öffentlich verteidigten, platzte mir der Kragen. Fertig mit der Verarschung, sagte ich mir, und begann zu recherchieren. Die Idee für ein Buch kam mir aber erst, als ich auf belastende Unterlagen und Dokumente stieß.

Stamm: Was bezwecken Sie mit dem Buch?

Reichelt: Es geht mir um die Aufklärung über Scientology und um einen der wichtigsten Exponenten der Organisation, den Undercover-Agenten Gottfried Helnwein. Er soll sich nicht länger als Opfer einer angeblichen Verfolgung, die es gar nicht gibt, verkaufen können. Ich habe keine Rachegefühle, es geht mir auch nicht um eine Abrechnung. Helnwein war mir gegenber immer korrekt.

Stamm: Sie haben Dietmar Schönherr mit Helnwein zusammengebracht. Welche Rolle spielte der Schauspieler und Gründer der Stiftung "Hilfe zur Selbsthilfe"?

Reichelt: Helnwein besuchte Dietmar Schönherr in seinem Kulturzentrum in Nicaragua. Helnwein wollte zwei nicaraguanische Nachwuchskünstler nach Deutschland nehmen und fördern. Ich warnte Schönherr, daß sie dabei mit der Scientology-Ideologie infiziert werden könnten. Anfällig für Scientology war Schönherr nicht.

Stamm: Die Hollywood-Stars Tom Cruise und John Travolta stehen offen dazu, Scientologen zu sein. Auch der Jazzpianist Chick Corea. Weshalb verleugnet sich Helnwein?

Reichelt: Einerseits aus Angst, als Künstler ins Abseits zu geraten und weniger Bilder zu verkaufen. Andererseits ist er der geborene Märtyrer, was sich auch in seinen Bildern zeigt. Er gefällt sich in der Rolle des verfemten und verfolgten Künstlers. Und jetzt macht er sein Meisterstück. Als Österreicher kann er die Deutschen an ihre Geschichte erinnern und sich als Opfer darstellen. Seit Jahren schimpft er wie ein Rohrspatz auf die Deutschen, zieht aber nicht von Deutschland weg. Verschiedene Prominente und einzelne Medien sind auf seine Lügen ja auch hereingefallen.

Stamm: Wie hat Helnwein auf Ihr Buch reagiert?

Reichelt: Er hat eine Strafanzeige wegen Verleumdung eingereicht. Außerdem wollte er das Buch mit einer einstweiligen Verfügung verbieten lassen. Damit ist er nicht durchgekommen.

Stamm: Gab es Repressionen?

Reichelt: Während der Recherchen wurde bei mir sechsmal eingebrochen, dreimal zu Hause und dreimal im Büro. Außerdem bekam ich Morddrohungen.

Stamm: Hat Antje Vollmer ihren Irrtum eingesehen?

Reichelt: Sie ist unbelehrbar. Noch vor wenigen Tagen hat sie an einer Wahlveranstaltung in Bayern ihren Freund Helnwein verteidigt. Er werde immer noch verfolgt, sagte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags. Da fällt mir nichts mehr ein, diese Frau ist als Politikerin nicht mehr tragbar.

Stamm: Die vielen Dokumente, die Sie im Buch abdrucken, erwecken den Eindruck, als hätten Sie vor Ihrem Abgang die halbe Korrespondenz von Helnwein kopiert.

Reichelt: Nein. Ich habe alle Unterlagen hinterher zusammengetragen. Nützlich waren selbstverständlich die guten Beziehungen. Ich habe nichts auf illegalem Weg beschafft.


Das Interview führte Hugo Stamm für "Das Magazin" Nr. 30/97, die Wochenendbeilage des Tages-Anzeigers und der Berner Zeitung BZ TA-Media AG Zürich. Der BERLINER DIALOG dankt für die Abdruckerlaubnis.